Ein Wendepunkt für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln
Am 24. April 2024, dem 11. Jahrestag der Tragödie von Rana Plaza in Bangladesch, stimmte das Europäische Parlament mehrheitlich für die Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit (CSDDD). Trotz der deutlichen Abschwächung der Vorgaben gegenüber dem ursprünglichen Gesetzesvorschlag handelt es sich um eine bahnbrechende Entscheidung, die Tausenden von Unternehmen innerhalb und außerhalb der EU Sorgfaltspflichten im Bereich der Menschenrechte und des Umweltschutzes auferlegen wird.
Die CSDDD markiert einen bedeutenden Paradigmenwechsel weg von freiwilligen CSR-Initiativen, die sich als unzureichend erwiesen haben, hin zu verpflichtenden Sorgfaltspflichten entlang der Wertschöpfungsketten von Unternehmen. Die Richtlinie verpflichtet Unternehmen dazu, negative Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt zu identifizieren, zu verhindern, abzumildern und schließlich zu beenden. Darüber hinaus müssen sie einen Plan für den Übergang zu einem klimaneutralen Geschäftsmodell im Einklang mit den Zielen des Pariser Abkommens erarbeiten.
Noch bis vor kurzem hing das Schicksal der Richtlinie in der Schwebe, nachdem langwierige Verhandlungen zwischen den Mitgliedstaaten im Rat der EU zu erheblichen Änderungen des Gesetzestextes geführt hatten. Doch die Abstimmung im Europäischen Parlament im April und die finale Annahme durch den Rat im Mai bestätigen einmal mehr: Unternehmen sollten sich zeitnah auf die CSDDD vorbereiten. Angesichts der weitreichenden Auswirkungen für Unternehmen sind sich die politischen Entscheidungsträger einig, dass die CSDDD das unternehmerische Handeln in Europa und darüber hinaus grundlegend verändern wird.
Mehr als 6.000 Unternehmen direkt betroffen
Der Geltungsbereich der CSDDD wird anhand von Umsatz- und Mitarbeiterschwellen festgelegt, KMU wurden generell ausgeschlossen. Die ursprünglich vorgesehene gezielte Verschärfung des Anwendungsbereichs für Hochrisikosektoren wurde im Laufe der Verhandlungen gestrichen. Die CSDDD wird nun für Unternehmen gelten, die folgende Kriterien erfüllen:
- EU-Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten und einem weltweiten Jahresumsatz von mehr als 450 Millionen Euro.
- Nicht-EU-Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 450 Millionen Euro, der in der EU erzielt wird.
Von der Richtlinie sind schätzungsweise rund 5.300 Unternehmen in der EU und ca. 800 Unternehmen mit Sitz außerhalb der EU betroffen. Die Zahlen sind wesentlich höher, wenn man indirekte Auswirkungen auf KMU berücksichtigt, die Teil der Wertschöpfungsketten großer Unternehmen sind und erwartungsgemäß deren Bemühungen zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten unterstützen werden müssen.
Vorerst Ausschluss nachgelagerter Aktivitäten in der Finanzbranche
Die Verhandlungen drehten sich auch um die Frage, ob der Finanzsektor in die CSDDD einbezogen werden soll. Gemäß dem nun angenommenen Rechtstext müssen Finanzunternehmen nur für ihren eigenen Geschäftsbetrieb und die vorgelagerte Lieferkette Sorgfaltsprüfungen durchführen. Die kritischeren nachgelagerten Geschäftsprozesse wurden von dieser Verpflichtung ausgenommen. Es gilt jedoch zu beachten, dass sich die EU die Option offenhält, die Anforderungen künftig zu verschärfen. Grundlage dafür soll eine Evaluierung durch die EU-Kommission innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten der CSDDD sein.
Unabhängig davon müssen auch regulierte Finanzunternehmen einen Plan verabschieden, der sicherstellt, dass ihre Geschäftsmodelle mit den Klimaschutzzielen des Pariser Abkommens vereinbar sind.
Risikobasierte Sorgfaltsprüfungen auf Grundlage internationaler Rahmenwerke
Die CSDDD ist stark von weithin anerkannten internationalen Rahmenwerken zur Einhaltung von Sorgfaltspflichten geprägt. Hierzu zählen insbesondere die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und der OECD-Leitfaden für Verantwortungsvolles Unternehmerisches Handeln. Konkret verlangt die CSDDD von betroffenen Unternehmen:
- Sorgfaltspflichten in internen Richtlinien und Risikomanagementsystemen zu verankern,
- tatsächliche oder potenzielle negative Auswirkungen zu identifizieren, zu bewerten und zu priorisieren,
- potenzielle nachteilige Auswirkungen zu verhindern und zu mildern, tatsächliche nachteilige Auswirkungen zu beenden und ihr Ausmaß zu reduzieren,
- tatsächliche nachteilige Auswirkungen zu korrigieren,
- eine konsequente Einbindung von Interessengruppen durchzuführen,
- einen Meldemechanismus und ein Beschwerdeverfahren einzurichten und aufrechtzuerhalten,
- die Wirksamkeit interner Richtlinien und Maßnahmen zu überwachen, und
- über die Sorgfaltspflichten öffentlich zu berichten.
Dieser risikobasierte Ansatz ist eng an andere nationale Sorgfaltspflichtengesetze wie das deutsche Lieferkettengesetz angelehnt, legt aber mehr Wert auf eine umfassende Einbeziehung der Interessengruppen als integralen Bestandteil des Prozesses.
Übergang des Geschäftsmodells zum 1,5°C-Ziel
Im Rahmen des Green Deal soll die CSDDD einen wesentlichen Beitrag zum Ziel der EU leisten, bis 2050 klimaneutral zu werden. Die Richtlinie misst dem Klimaschutz deshalb große Bedeutung bei und verlangt von den betroffenen Unternehmen die Entwicklung eines Plans für den Übergang zu einem klimaneutralen Geschäftsmodell im Einklang mit dem 1,5°C-Ziel des Pariser Abkommens.
Dies bedeutet, dass Unternehmen zeitgebundene, wissenschaftlich fundierte Klimaziele für 2030 und dann in 5-Jahres-Intervallen bis 2050 festlegen müssen. Diese sollten auch absolute Ziele für die Reduzierung der Scope-1, -2 und -3 Emissionen enthalten, sofern erforderlich.
Unternehmen auf Basis von nationalem Zivilrecht haftbar
Ob und wie Unternehmen für Verstöße in ihren Wertschöpfungsketten haftbar gemacht werden können, war ein äußerst strittiger Punkt während der CSDDD-Verhandlungen. Nach dem nun angenommenen Gesetzestext können Betroffene nach nationalem Recht Ansprüche gegen Unternehmen geltend machen, wenn diese vorsätzlich oder fahrlässig gegen die Sorgfaltspflichten der CSDDD verstoßen haben. Gleichzeitig können Unternehmen nicht haftbar gemacht werden, wenn ein Schaden ausschließlich von ihren Geschäftspartnern verursacht wurde.
Darüber hinaus können Unternehmen, die die Vorschriften nicht einhalten, mit Geldstrafen und dem Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen sowie Konzessionsverfahren belegt werden.
Die CSDDD als zentraler Teil des ESG-Puzzles
Die von der Europäischen Kommission im Februar 2022 als Teil der Green-Deal-Agenda vorgeschlagene CSDDD ist ein wichtiger Bestandteil der ESG-Regulierungslandschaft.
Die Richtlinie ist eng mit ihrem Reporting-Gegenstück, der Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD), verknüpft, in deren Rahmen CSDDD-relevante KPIs offengelegt werden können. Gemeinsam informieren sie Stakeholder wie Investoren, Verbraucher oder Gewerkschaften über die Nachhaltigkeitspraktiken und -leistung sowie Maßnahmen von Unternehmen, die sie für den Umgang mit ESG-Risiken entlang der Wertschöpfungskette ergreifen.
Im Zusammenspiel mit der EU-Taxonomie-Verordnung zielen diese Gesetzesinitiativen darauf ab, Investitionen in nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten zu lenken. Diese sollen das Ziel der EU unterstützen, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55% zu reduzieren und bis 2050 klimaneutral zu werden.
Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens
Am 24. Mai hat auch der Rat der EU die CSDDD formal angenommen. Der finale Gesetzestext wird nun zeitnah im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Die Richtlinie tritt 20 Tage später in Kraft.
Die Mitgliedstaaten haben im Anschluss zwei Jahre Zeit, sie in nationales Recht umzusetzen. In Mitgliedstaaten, in denen es bereits nationale Sorgfaltspflichtengesetze gibt, wie in Deutschland und Frankreich, müssen die jeweiligen nationalen Gesetze an die CSDDD angepasst werden.
Die Anwendung der Richtlinie wird schrittweise auf Basis der Unternehmensgröße erfolgen, wobei die erste Gruppe drei Jahre nach Inkrafttreten, also voraussichtlich im Jahr 2027, die Anforderungen erfüllen muss.
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