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5. Juni 2024
Alexander Hellwig
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EU-Wahlen 2024: Wie geht es weiter mit der grünen Agenda?

Vom 6. bis 9. Juni 2024 werden die europäischen Bürger die 720 Mitglieder des neuen Europäischen Parlaments wählen und somit die zukünftige Richtung der politischen Agenda der EU bestimmen.

In Kürze

  • Zwischen 2019 und 2024 verabschiedete Gesetze mit Lieferkettenbezug werden globale Auswirkungen haben und Unternehmen aller Größenordnungen betreffen
  • Lieferkettentransparenz und die enge Einbindung von Lieferanten sind der Schlüssel für nachhaltigere Geschäftsmodelle
  • Während zum Ende der Legislaturperiode 2019 - 2024 noch wichtige Nachhaltigkeitsgesetze verabschiedet wurden, wird die Arbeit an anderen Gesetzgebungsvorhaben erst nach den Wahlen fortgesetzt
  • Die politischen Prioritäten der Legislaturperiode 2024 - 2029 werden sich voraussichtlich auf die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie sowie einen stärkeren und unabhängigeren Binnenmarkt konzentrieren
  • Angesichts der erwarteten Stärkung rechter Parteien im Europäischen Parlament werden grüne Initiativen künftig auf größeren Widerstand stoßen

Rückblick - Die wichtigsten Errungenschaften des EU Green Deal

Aus Nachhaltigkeitsgesichtspunkten war die Legislaturperiode von 2019 bis 2024 stark vom EU Green Deal und seinem übergeordneten Ziel der Klimaneutralität bis 2050 geprägt. In diesem Zusammenhang ist auch das „Fit for 55“-Paket zu sehen, ein Bündel an Maßnahmen, mit dem die EU das Zwischenziel einer 55%-igen Emissionsreduzierung bis 2030 erreichen will. Der Green Deal der EU ist eng mit den anderen politischen Schwerpunkten der Europäischen Kommission verknüpft:

Abbildung: Politische Prioritäten der EU (2019 - 2024)

Quelle: Europäisches Parlament (Stand 5. Juni 2024)

In der Legislaturperiode von 2019 bis 2024 hat die EU den Weg für zahlreiche Rechtsvorschriften geebnet, die darauf abzielen, die Dekarbonisierung voranzutreiben, die Achtung der Menschenrechte zu fördern, die Verbraucherrechte zu stärken und die Wirtschaft nachhaltiger zu gestalten. Zu den wichtigsten verabschiedeten Gesetzen, die sich direkt auf die Beschaffungs- und Lieferkettenpraktiken von Unternehmen auswirken, zählen:

Darüber hinaus haben verschiedene branchenspezifische Vorgaben im Hinblick auf sauberen Verkehr, die Kreislaufwirtschaft (siehe z. B. die Batterieverordnung) oder nachhaltige Gebäude indirekte Auswirkungen darauf, wie Unternehmen ihre Lieferketten managen müssen.

Die Auswirkungen der grünen Agenda auf Unternehmen 

Die meisten Betriebe werden von lieferkettenbezogenen EU-Rechtsvorschriften betroffen sein, sei es direkt oder indirekt. Die Regelwerke der EU haben zudem erhebliche globale Auswirkungen, sowohl auf Unternehmen aus Drittländern, die in großem Umfang in der EU tätig sind, als auch auf Unternehmen, einschließlich zahlloser KMU, entlang komplexer Wertschöpfungsketten auf der ganzen Welt.

Die Berichterstattung über Nachhaltigkeitspraktiken und -leistungen ist ein wichtiger Eckpfeiler vieler Regulierungsinitiativen. Um Transparenz zu schaffen und die Rückverfolgbarkeit von Produkten, Komponenten und Rohstoffen zu gewährleisten, sind umfassende Daten erforderlich. Die Einbindung von und Zusammenarbeit mit Lieferanten hat sich folglich zu einem Dreh- und Angelpunkt solcher Bemühungen entwickelt. Dazu müssen Unternehmen über traditionelle Kunden-Lieferanten-Beziehungen hinausgehen und strategische Partnerschaften für mehr Nachhaltigkeit aufbauen. Die Rolle von Branchen- und sektorübergreifenden Initiativen gewinnt daher zunehmend an Bedeutung. Sie ermöglichen es den Mitgliedern, Ressourcen zu bündeln und einheitliche Standards entlang ihrer Lieferketten leichter durchzusetzen.

Viele europäische Unternehmen werden ihre Handels- und Lieferketten voraussichtlich neu ausrichten und einen Teil der Geschäftsbeziehungen wieder näher an den Unternehmenssitz heranführen, hin zu lokalen oder regionalen Zulieferern mit besserem Nachhaltigkeitsprofil. Nicht zuletzt werden gewisse Vorschriften erwartungsgemäß auch zu einer Neugestaltung bestimmter Produkte führen. Dies kann gleichermaßen veränderte Lieferkettennetzwerke und Beschaffungspraktiken zur Folge haben.

Kürzlich verabschiedete und anhängige Gesetzesinitiativen

Gegen Ende der gegenwärtigen Legislaturperiode haben nach Annahme durch den Rat der EU zahlreiche Rechtsakte die letzte Hürde genommen, darunter die europäische Lieferkettenrichtlinie (CSDDD), der Net-Zero Industry Act (NZIA), die Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte (ESPR) und die Richtlinie über das Recht auf Reparatur.

Die Arbeit an anderen Gesetzesvorhaben, die sich noch in verschiedenen Stadien des Gesetzgebungsverfahrens befinden, wird zurückgestellt und nach den Wahlen wieder aufgenommen. Beispiele für Initiativen, die bereits vom EU-Parlament abgesegnet wurden, aber noch grünes Licht vom Rat benötigen, sind die Richtlinie über die Nachweisbarkeit und Kommunikation umweltbezogener Produktangaben (Green Claims Directive), die Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle und die umstrittene Verordnung zur Wiederherstellung der Natur.

Künftige politische Prioritäten der EU

Bei näherer Analyse der Wahlprogramme der verschiedenen Fraktionen im Europäischen Parlament, der Ergebnisse der Sondertagung des Europäischen Rates im April 2024, des „Letta-Berichts“ über die Zukunft des EU-Binnenmarktes, der in die strategische Agenda der EU für 2024 bis 2029 einfließen wird, und der Erklärungen der wichtigsten Industrieverbände fallen einige Prioritätensetzungen auf:

  • Wettbewerbsfähigkeit als übergeordnetes politisches Ziel, verbunden mit der Notwendigkeit eines neuen „Industrial Deal“, der den „Green Deal“ der EU ergänzt
  • Ein stärkerer Binnenmarkt, der u. a. auf die strategische Finanzierung des grünen und digitalen Wandels, verbesserte Governance-Rahmenbedingungen sowie Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit ausgerichtet ist
  • Stärkung der Energieunabhängigkeit und Rohstoffautarkie
  • Technologieführerschaft und Innovation als Katalysatoren für verbesserte Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum
  • Schlankere und kohärentere Regulierungsvorschriften
  • Sicherheit und Verteidigung angesichts eskalierender geopolitischer Spannungen und Konflikte
  • Nachhaltige, sichere und widerstandsfähige Lieferkettennetzwerke

Die jüngsten regulatorischen Entwicklungen deuten bereits in eine ähnliche Richtung. Im Februar 2023 ebnete die EU den Weg für einen grünen Industrieplan (Green Deal Industrial Plan). Er umfasst den Critical Raw Materials Act (CRM Act), der den Zugang zu einer sicheren und nachhaltigen Versorgung mit kritischen Rohstoffen gewährleisten soll. Am 27. Mai 2024 hat der Rat zudem die Netto-Null-Industrie-Verordnung (Net-Zero Industry Act) verabschiedet, die die Produktionskapazitäten für saubere Technologien in der EU nachhaltig steigern soll. Die erwähnten Bemühungen bleiben jedoch hinter vergleichbaren Initiativen in anderen Ländern, wie dem Inflation Reduction Act (IRA) in den Vereinigten Staaten, zurück. In den nächsten fünf Jahren sind deshalb weitere konzertierte Maßnahmen zur Stärkung der Unabhängigkeit und Wettbewerbsfähigkeit der EU zu erwarten.

Wählerstimmung

Bei den kommenden Wahlen ist mit einer Umbildung des Europäischen Parlaments zu rechnen. Außerdem könnten neue Fraktionen entstehen. Es wird generell erwartet, dass die Europäische Volkspartei (EVP) und die Sozialdemokraten (S&D) auch weiterhin die größten Fraktionen im neuen Parlament stellen werden. Das rechte Lager, einschließlich der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) und der Rechtsaußen-Fraktion Identität und Demokratie (ID), sowie andere fraktionslose Parteien werden voraussichtlich auf Kosten der Liberalen (Renew Europe), der Grünen und der Linken Sitze hinzugewinnen.

Das Kräfteverhältnis im Europäischen Parlament könnte sich folglich zugunsten von Euroskeptikern und ESG-Gegnern verschieben. Infolgedessen werden grüne Initiativen in der kommenden Wahlperiode von 2024 bis 2029 sehr wahrscheinlich auf größeren Widerstand stoßen.

Auswirkungen auf umweltpolitische Initiativen

Das Hauptziel des EU Green Deal, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, ist gesetzlich verankert und rechtsverbindlich. Dennoch werden Umweltthemen in den kommenden Jahren voraussichtlich zunehmend in den Hintergrund treten. Darüber hinaus ist zu erwarten, dass die politischen Entscheidungsträger vermehrt versuchen werden, die Nachhaltigkeitsagenda und die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie miteinander in Einklang zu bringen.  

Gesetzgebungsinitiativen des EU Green Deal, die weder vom Europäischen Parlament noch vom Rat angenommen wurden, wie z. B. die Anforderungen an die kreislauforientierte Konstruktion von Fahrzeugen und die Entsorgung von Altfahrzeugen, stehen vor einer ungewissen Zukunft in einem neuen Europäischen Parlament mit einer stärkeren Rechtsfraktion.

Eine Analyse von Politico zeigt, wie Politikbereiche wie Landwirtschaft, Klima, Energie, Technologie, Nachhaltigkeit und Mobilität durch ein nach rechts gerücktes Parlament beeinflusst werden könnten.

Wichtige Termine und Ausblick

Nach den Wahlen gibt es insbesondere zwei Termine, die sich Beobachter in ihren Kalendern vormerken sollten. Am 27. und 28. Juni kommen die 27 Staats- und Regierungschefs zur ersten Tagung des Europäischen Rates zusammen, um die Strategische Agenda für den Zeitraum 2024 – 2029 zu verabschieden. Dabei werden sie die politischen Prioritäten und den allgemeinen Fahrplan der EU für die nächste Legislaturperiode festlegen und den anderen EU-Institutionen die generelle Richtung vorgeben.

Im September wird der neu gewählte Präsident bzw. die neu gewählte Präsidentin der Europäischen Kommission in der Rede zur Lage der Union erwartungsgemäß das kommende Legislativprogramm vorstellen und die wichtigsten Leitplanken der EU-Politik für die nächsten fünf Jahre skizzieren.  

Während es in der Legislaturperiode von 2019 bis 2024 primär darum ging, den rechtlichen Rahmen für die grüne Agenda der EU zu schaffen, müssen die neuen EU-Institutionen die wirksame Umsetzung der verabschiedeten Rechtsvorschriften sicherstellen und flankierende Maßnahmen, d. h. Unterstützungsinstrumente für Unternehmen, entwickeln.  

Die Entscheidungen der nächsten fünf Jahre werden wahrscheinlich an ihren Auswirkungen auf die industrielle Wettbewerbsfähigkeit gemessen werden. Es wurde daher vorgeschlagen, einzelne Gesetzesinitiativen, Strategien und Programme grundsätzlich auf Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit hin zu überprüfen.

Wie wir Sie unterstützen können

Unabhängig vom Ausgang der EU-Wahlen steht Ihnen IntegrityNext als zuverlässiger Partner für nachhaltiges Lieferkettenmanagement zur Seite. Wir unterstützen Sie auf unterschiedliche Weise:

  • Kontinuierliche Überwachung der politischen Entwicklungen, um eine proaktive Planung zu gewährleisten
  • Eigenständige Lösungen für den CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) der EU, die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) und nationale Sorgfaltspflichtengesetze wie das deutsche Lieferkettengesetz (LkSG)
  • Sofort verfügbare Plattformfunktionen, die die Einhaltung der EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) und der EU-Verordnung zum Verbot von Zwangsarbeit bereits heute unterstützen, spezialisierte Lösungen werden folgen
  • Künftig maßgeschneiderte Lösung für die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR)
  • Verbesserte Lieferkettentransparenz, Skalierbarkeit sowie Zusammenarbeit mit Lieferanten durch die IntegrityNext-Plattform
  • Starker Fokus auf Automatisierung, Benutzerfreundlichkeit und intuitive Lösungen

Die IntegrityNext-Plattform wird kontinuierlich weiterentwickelt, um den sich wandelnden Anforderungen des nachhaltigen Lieferkettenmanagements gerecht zu werden.

Wenn Sie mehr über unsere Lösungen erfahren möchten, vereinbaren Sie gerne einen Termin für eine persönliche Demo unserer Plattform mit einem unserer Experten.

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